Die soziale Dimension der EU stärken

Adressat: Juso-Landesdelegiertenkonferenz, Juso-Bundesdelegiertenkonferenz, SPD Bundesparteitag, SPD Fraktion im Deutschen Bundestag

  1. In den haushalts- und wirtschaftspolitischen Koordinationsprozessen des europäischen Semesters dürfen die Empfehlungen zu den jeweiligen nationalen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitiken nicht länger nur als Mittel zur Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und einer Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit dienen. Wir Sozialdemokraten sollten auf die Kommission einwirken, um in diesem Prozess auch dem Schutz der Beschäftigten, Investitionen in Aus- und Fortbildung und die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung als eigenständige Ziele ins Auge zu fassen. Das Europäische Semester sollte dementsprechend zu einem ausgewogenen makroökonomischen Koordinationsprozess fortentwickelt werden. Dazu ist es unumgänglich, gerade bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung konkrete und überprüfbare Zielwerte für die einzelnen Mitgliedsstaaten in einem längerfristigen Zeitraum festzulegen.
  2. Da die weichen, freiwilligen Koordinationsprozesse im Europäischen Semester keine Sanktionen vorsehen und damit keine bindende Wirkung haben, sollen gemeinsame sozialpolitische Initiativen durch einen sozialen Investitionsfonds und damit durch positive Anreize unterlegt werden. Dieser Fonds könnte aus einer Finanztransaktionssteuer gefüllt und von der Kommission verwaltet werden. Die Mittel wollen wir für europaweite Investitionen in Bildung, Ausbildung und Fortbildung, sowie zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit einsetzen. Das würde die weitestgehend wirkungslose und an den EU-Institutionen vorbei umgesetzte „Jugendgarantie“ ersetzten und den Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) mit seinem Fokus auf Innovationen und Infrastrukturausgaben ergänzen.
  3. Um ebenso die Steuervermeidung großer transnationaler Konzerne durch Steuerverschiebung zu erschweren, unterstützen wir den Vorschlag der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2011 eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer festzulegen. Die Mitgliedstaaten können dann zwar weiterhin vertragskonform allein über ihre Steuerpolitik entscheiden. Doch die Regeln, nach denen in der EU tätige Unternehmen ihre steuerpflichtigen Gewinne berechnen, würden so vereinheitlicht und damit Missbrauch erschweren. Als Teil der Bundesregierung wollen wir Sozialdemokraten hier stärker auf eine entsprechende Regulierungsvorlage drängen. Dass der deutsche Finanzminister erst im vergangenen Jahr ein Zentralregister für Steuervorbescheide blockiert hat, ist für uns nicht hinnehmbar.

Begründung:

Eine gemeinsame Währungsunion schaffen, aber soziale Sicherheit weiterhin über einen starken nationalen Sozialstaat garantieren –diese feine Trennung ist spätestens mit der Eurokrise offensichtlich nicht mehr aufrecht zu erhalten. Anstelle aber einer per se globalisierungsfeindlichen Abwehrhaltung gegenüber der europäischen Integration einzunehmen, sollten wir Sozialdemokraten vielmehr für ein sozialeres Europa eintreten. Wir müssen als Landes- und Bundespartei Europa nicht als fremde Außenpolitik oder technokratische Regulierung, sondern vielmehr als festen Bestandteil unserer „nationalen“ Politik begreifen. Denn künftig wird sich unser Sozialstaat und die von uns vertretenen Werte nicht ausschließlich national, sondern nur über eine starke europäische Sozialdemokratie verteidigen lassen. Es muss uns zu denken geben, dass viele BürgerInnen unsere SPD in der Bundesregierung gerne als kleinen Koalitionspartner für die sozialen Korrekturen sehen, aber im Hinblick auf die zentralen Fragen der Europapolitik den Konservativen vertrauen. Unseren Kampf für soziale Gerechtigkeit wollen wir daher wieder umfassend verstehen und ihn gemeinsam mit den sozialdemokratischen Partnern in Europa stärker auf die EU-Ebene übertragen. Jenseits einer entsprechenden Vertragsänderung gilt es dazu zunächst die bestehenden Möglichkeiten für eine Stärkung der sozialen Dimension der EU zu nutzen. Die oben genannten Maßnahmen setzten an den zurzeit diskutierten Maßnahmen an und könnten diese entsprechend zu einer europäischen Strategie zusammen führen, die stärker versucht wirtschaftliche Entwicklung nicht zu Lasten, sondern zum Wohl solidarischer Gemeinschaften in Europa zu betreiben.