Weiterleitung an: Juso-Bundeskongress, SPD-Landesparteitag, SPD-Bundesparteitag, SPD-Bundestagsfraktion
Gemeinsam mit den Jusos Ostalb eingereicht.
Die Versammlung möge beschließen:
Die Änderung der Schiffssicherheitsverordnung vom 03.03.2020 durch das
Verkehrsministerium hat zur Folge, dass zivile Seenotrettung im Mittelmeer vor enorme
Herausforderungen gestellt wird. Durch die neuen Regelungen fallen Schiffe zwischen 8
und 24 Meter Länge künftig nicht wie bisher in eine Kategorie mit See-Sportbooten,
sondern müssen vergleichbare Voraussetzungen wie Frachtschiffe erfüllen.
Konkret bedeutet das für die Ausstattung des Schiffes Folgendes:
Zur Brandbekämpfung müssen die Schiffe zukünftig über eine von außen bedienbare
Löschanlagen mit zwei Kühlwasser Pumpen verfügen. Bisher reichte ein Feuerlöscher.
Die Ausstattung des Schiffs muss zudem künftig aus schwer entflammbaren Materialien
bestehen. Die Kosten für derartige Umbauten belaufen sich auf bis zu 100.000€ pro
Schiff schätzt der erfahrene Skipper Thomas Nuding.
Andere Schiffe wie die Mare Liberum müssen dadurch komplett ausgemustert werden.
Neben den einmaligen Kosten durch den technischen Umbau wurden auch enorme Hürden
bzgl. der Besatzung geschaffen. Während bisher ein einfacher Sportbootführerschein
ausreichte, müssen zukünftig bei Schiffen zwischen 8 und 24 Metern Länge mindestens 2
Kapitän*innen mit dem Patent „Große Fahrt“ an Bord sein. Mit diesem höchsten Patent
dürfen sämtliche Seegewässer weltweit befahren werden. Zudem muss mindestens ein*e
nautischer Wachoffizier*in an Bord sein. Hinzu kommen drei Vollmatros*innen, die
mindestens ein Jahr Erfahrung auf einem Handelsschiff vorweisen müssen. Die
jährlichen Personalkosten nur für diese 6 Personen belaufen sich dadurch pro Jahr auf
mindestens 300.000€ pro Schiff.
Als offizielle Begründung wird vom Verkehrsministerium die Sicherheit der Besatzung
und der Geretteten vorgeschoben. Dass es darum jedoch keinesfalls gehen kann, wird
dadurch deutlich, dass sowohl Schiffe der Bundesmarine als auch Schiffe der
,,Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger”, welche ausschließlich in Nord-
und Ostsee retten, von dieser Regel ausgenommen sind. Besonders absurd wird dies
angesichts der Tatsache, dass die Bedingungen in der Nordsee deutlich rauer sind als
im Mittelmeer. Da die Änderung offensichtlich keinen anderen Zweck verfolgt als die
Verhinderung von Seenotrettung im Mittelmeer, fordern wir, diese umgehend
zurückzunehmen.
Weiter fordern wir, dass Deutschland statt wie am oben gezeigten Beispiel
Seenotrettung nicht weiter verhindert, sondern diese aktiv unterstützt und ein
staatliches und EU-weites Seenotrettungsprogramm umgehend ausbaut.
Begründung
Ausgangspunkt der am 03.03.2020 beschlossenen Änderung war ein Streit der Berufsgenossenschaft Verkehr mit der Rettungsorganisation Mare Liberum.
Die Berufsgenossenschaft Verkehr argumentierte, dass die bisher geltenden Regeln für Schiffe mit „Sport und Freizeitzweck“ nicht für zivile Seenotrettung gelten würden, da hier kein Freizeitzweck vorhanden sei. Das Oberlandesgericht Hamburg gab der Rettungsorganisation Recht und stellte fest, dass„gemeinnützige und humanitäre Tätigkeiten“ unter den Freizeitaspekt fallen. Ausgehend von diesem Urteil wurde durch das Verkehrsministeriums die Verordnung dahingehend geändert, dass die bisherige Ausnahme für „Sport- und Freizeitzwecke“ kurzerhand in „Sport- und Erholungszwecke“ umgeschrieben wurde. Die Änderung stellt damit nicht nur zivile Seenotrettung vor riesige Probleme, sondern umgeht auf perfide Weise auch das Gerichtsurteil des Oberlandesgerichts Hamburg. Mit dem Zweck ist die zivile Seenotrettung im Mittelmeer zu unterbinden.
Das Mittelmeer ist schon jetzt mit mindestens 20.000 Toten seit 2015 zur tödlichsten Außengrenze der Welt geworden. Statt jenen Menschen, die täglich die letzte humanitäre Glaubwürdigkeit Europas wortwörtlich vor dem Absaufen retten, Steine in den Weg zuwerfen, muss es die Aufgabe von Sozialdemokrat*innen in Regierungsverantwortung sein, die Menschenrechte an unseren Grenzen zu wahren und das Recht auf Leben nicht zum Spielball billiger Taschenspielertricks des Verkehrsministeriums werden zu lassen.